Eröffnung des Kindergartens 1956

Zur Eröffnung des Einfelder Kindergartens verfasste Realschulkonrektor Herm. Müller einen Bericht, der hier in Auszügen wiedergegeben wird. Dieser Bericht wurde veröffentlicht im "Mitteilungsblatt Nr. 17 anno 1969 für die Gemeinde Einfeld".

M
it der Gründung des ersten Kindergartens im Jahre 1840 in Blankenburg wurde Friedrich Fröbel der Schöpfer der Kindergartenbewegung. Die Pflege und Lenkung des kindlichen Tätigkeitstriebes und die Förderung der Schöpferkraft durch neue Spiel- und BetätigungsmitteI war der erzieherische Leitgedanke. Heute gibt es in der Bundesrepublik rund 10.000 Kindergärten, die von den Gemeinden, Kirchen und Vereinen der freien Wohlfahrtspflege unterhalten werden.

Als 1956 in Einfeld der Kindergarten eröffnet wurde, stand weniger die erzieherische Absicht im Sinne Fröbels und Maria Montessoris im Vordergrund als vielmehr die Notwendigkeit, für die noch nicht schulpflichtigen Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren, deren Mütter berufstätig sind, eine Heimstatt zu schaffen. Daß gleichzeitig auch Erziehung erfolgt, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß nur staatlich geprüfte Kindergärtnerinnen zur Leitung berechtigt sind. Grundsätzlich steht der Kindergarten allen 3- bis 6-jährigen Kindern offen, da aber aus personellen und räumlichen Gründen nur etwa 45 Kinder betreut werden können, muß eine Auslese erfolgen, sofern die Anmeldungen zu zahlreich sind.

Kinder aus allen Schichten unserer dörflichen Bevölkerung sind im Kindergarten vereint. Kommen sie aus kinderreichen Familien, so ordnen sie sich zumeist leicht ein, für Einzelkinder dagegen ist der Weg in die Gemeinschaft oft dornenvoll, und in einzelnen Fällen dauert es bis zu einem halben Jahr, bis die Eingliederung vollzogen ist. Sie müssen lernend daß nicht jeder Wunsch erfüllt, nicht jeder Laune nachgegeben werden kann. Jenen Kindern, die zu Hause verwöhnt worden sind, oft auch durch die Großmütter, fällt die Einordnung besonders schwer, und der Wunsch nach Ungebundenheit ist verständlich.

Ein dreijähriger Junge hatte sich etwas ganz Raffiniertes ausgedacht: er machte wiederholt die Hose naß und meinte: Ich mache die Hose naß, dann bleibe ich klein und darf zu Hause bleiben." Es ist nicht anzunehmen daß er mit dieser Methode auf die Dauer Erfolg haben wird, den gerade die Gewöhnung an Sauberkeit und Regelmäßigkeit ist eine Voraussetzung für alle weiteren erzieherischen Maßnahmen. Wie sehr man im Kindergarten auf diese "kleinen“ Dinge achtet, geht aus dem Ausspruch eines Dreijährigen hervor: "Im Kindergarten muß man immer müssen, wenn man gar nicht muß." Die Sprache der Kleinen ist Ausdruck  ihrer kindlichen Vorstellungen; beim Gewitter erzürnen sich die Wolken, und im Weihnachtslied heißt es: Hoch oben schwebt Joseph den Engeln was vor.

Täglich in der Zeit von 07.00 bis 09.00 Uhr werden die Kinder gebracht. Bei ungünstiger Witterung halten sie sich im Tagesraum auf, wo sie singen, Märchen hören, kleben, basteln und mit Spielen verschiedener Art befaßt werden; bei gutem Wetter bietet der Innenhof mit Kletter-, Schaukel- und einfachen Turngeräten viele Möglichkeiten der Betätigung. Zu jeder Zeit aber Ist eine Beaufsichtigung und Anleitung erforderlich.
Um 9.30 Uhr gibt es zu den mitgebrachten Brotschnitten eine Tasse warme Milch und zwei Stunden später ein vollwertiges Mittagessen, entweder Gemüse mit Fleisch und Kartoffeln, eine Mehlspeise, einen Gemüseeintopf, eine Erbsensuppe oder Fisch mit Kartoffeln und Salat, und zum Nachtisch gibt es eine Milch-, Saft- oder Zitronensuppe oder Obst. Nach der Toilettenpolonäse schlafen die 3- bis 5jährigen, während den älteren Kindern Spielmöglichkeiten geboten werden. Um 15 Uhr gibt es ein Milchgetränk, dazu werden die restlichen mitgebrachten Brotschnitten gegessen. Um 17.00 Uhr endet der Kindergartentag, und der von der Arbeit zurückgekehrten Mutti wird auf dem Heimweg all das berichtet, was den Kindertag interessant und erlebnisreich machte.

Der endgültige Abschied vom Kindergarten nach manchmal dreijähriger Betreuung fällt den meisten Kindern schwer, aber für sie ist der Schritt in die erste Klasse der Grundschule nur ein kleiner, da sie das Leben in der Gemeinschaft bereits erfahren haben. Der Einfelder Kindergarten ist zu einer unentbehrlichen Einrichtung geworden, und manches Kind hat hier Eindrücke empfangen, die sich für das ganze spätere Leben segensreich auswirken werden. Daß die Gemeinde für jedes Kind trotz der Eigenleistung der Eltern weit höhere Kosten zu tragen hat als für ein schulpflichtiges Kind, sei abschließend festgestellt.