1906: Einfeld – Seebad und Kurort!

Karin Theens vom Geschichtsverein für das ehemalige Amt Bordesholm e.V. hatte in die Zeitungsarchive geschaut und eine interessante Geschichte aus dem Jahr 1906 über den Einfelder See gefunden. „Einfeld – Seebad und Kurort!“, so der Titel eines Aufsatzes im Holsteinischen Courier (HC) vom 12. und 19.07.1906. Eine Zusammenfassung wurde 2007 im Jahrbuch des Vereins publiziert. Die damalige Rechtschreibung wurde beibehalten.
Badeleben am Einfelder See . . . „Wer hat noch vor wenigen Jahren unser Nachbardorf Einfeld anders gekannt, als dass dort ein ebenso gemütlicher Menschenschlag wohnt, wie in Neumünster und in den nach allen Himmelsrichtungen um die Stadt herumliegenden anderen ländlichen Ortschaften? Ja, so geht’s aber in der Regel; Jahrzehnte, Jahrhunderte können darüber hingehen, ehe sich das Gute Bahn bricht, ehe es den Menschen zum Bewusstsein kommt, dass sie nicht in die Ferne schweifen brauchen, dass das Gute ja so nahe liegt. Das sehen wir so recht an dem naheliegenden Einfeld.

Wenige Jahre sind darüber hingegangen, seit der Gastwirt Sander, angeregt durch hiesige Verehrer eines schönen, erfrischenden Bades, sich bereit fand, hinter seinem Gewese eine kleine Badeanstalt anzulegen, und diesem Anfange folgte dann, da sich Badelustige in immer größerer Zahl einstellten, bald die Vergrößerung der Badeanstalt, die jedoch leider mit der sich ständig vermehrenden Frequenz nicht gleichen Schritt hielt und auch heute, trotzdem der neue Besitzer, Herr Nagel, eine abermalige Erweiterung vorgenommen, noch lange nicht allen Ansprüchen genügt. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der den Einfelder See aufsuchenden Badelustigen, so dass auch die Eisenbahnverwaltung auf diese kleine Völkerwanderung während der Sommermonate aufmerksam wurde und schon seit mehreren Jahren durch Einrichtung von Monatsabonnements und vermehrte Haltegelegenheit der Züge auf Station Einfeld ihren Nutzen zog.

Im Sommer 1905 war der Besuch unserer Nachbarortschaft und besonders des Seebades schon so stark geworden, dass sich Herr Rud. Gaedke, der den Einfelder Hof erworben hatte, mit dem Gedanken trug, aus seinem Hof ein fashionables Sommer-Etablissement mit Pensionat und Badeanstalt zu machen. Dieser Plan ist nun ausgeführt und realisiert sich, wie der kolossale Besuch an Sonn- und Feiertagen zeigt, vortrefflich. So ist denn Einfeld mit einem male in die Reihe der Bade- und Kurorte eingerückt und man braucht von hier aus keines der teuren Modebäder mehr aufzusuchen, man findet in Einfeld alles, was einem dort geboten werden kann und vielleicht noch etwas mehr - nämlich unverfälschte Natur und geringere Kosten für den Aufenthalt. In diesem Sommer hat die Eisenbahnverwaltung noch außer den fahrplanmäßigen Zügen mehrere sogenannte Schüler- und Badezüge nach und von Einfeld eingelegt und trotzdem muss fast jeder nach dort Fahrende sich einen Platz zur Mitfahrt förmlich erkämpfen.

Der Bahnhof Einfeld genügt den Bedürfnissen nicht im entferntesten mehr, es ist für die kolossalen Menschenmassen bei Ankunft wie bei Abfahrt der Züge dort geradezu lebensgefährlich, und die Bahnverwaltung wird nicht lange zögern dürfen, für die dringend notwendige räumliche Erweiterung der Bahnanlage zu sorgen. So hätte am letzten Sonntag bei Ankunft des 1 Uhrzuges in Einfeld wenig daran gefehlt, dass einige Menschen von der Schlagbaum-Barriere erschlagen wären, die der Schrankenwärter, weil sich einige Voreilige um die Fahrkartenkontrolle herumdrückten, einfach zwischen die bereits abgefertigten Menschenmassen niederfallen ließ. Das ist kein Leichtsinn mehr, das ist geradezu eine Brutalität und so etwas darf nicht wieder vorkommen. In Einfeld selbst hat man der Tatsache der Erhebung zum Bade- und Kurort zuerst mit etwas ungläubigem Erstaunen gegenübergestanden, sich aber doch verhältnismäßig schnell daran gewöhnt und die Konsequenzen daraus in der Weise gezogen, dass man allerlei Wegeverbesserungen vorgenommen, Neubauten aufgeführt und Gastwirtschaften eingerichtet hat, um nach Möglichkeit den Ansprüchen der Badegäste zu genügen.

Die Badeanstalt des Herrn Nagel soll zur nächsten Saison eine bedeutende Erweiterung erfahren, so dass dann auch in dieser Beziehung weitgehendsten Ansprüchen genügt sein wird. Außerordentlich interessant ist das Leben und Treiben am Seestrand. Wie in den großen Modebädern, so ist’s auch hier! Groß und Klein lagert sich rings um den See, die Kinder hantieren mit Schaufel und Harke, bauen Sandburgen und waten mit aufgeschürzten Röcken und aufgekrempelten Hosen so weit wie angängig in den See hinein. Ganze Gesellschaften lassen sich an den durch Hügel oder Knicks geschützten HC vom 22.07.1907 Strandteilen nieder und manche humorvolle Situation bietet sich dem Auge des Beschauers. Da hat eine Gesellschaft im Knick ein Fässchen Bier verstaut und alle Augenblicke sieht man eine durstige Seele die Zweige auseinanderbiegen und dem immer bereitwilligen Hahne ein Schöppchen entlocken; während dessen entkleidet Mutter die vor Ungeduld nach dem Bade schon „gnadderig“ werdenden Kleinen und im reinsten Adamskostüm plätschern die kleinen Angehörigen beider Geschlechter bald im seichten Wasser herum, während die Größeren selbstverständlich, um die Sittlichkeit nicht zu verletzen, die Badehose anziehen, ehe sie sich „in die kühlen Fluten stürzen“.

Da, weit in den See hinein, stehen einige Gestalten, die Hosen bis zum Leib hochgekrempelt, in stoischer Ruhe und angeln. Jetzt kommen die Göhren in wildem Toben daher - und vorbei ist´s mit der Aussicht auf einen guten Fang, vorbei aber auch mit der Ruhe der Angler, die mit allerlei „lieblichen“ Titulaturen die nackten Menschenkinderchen belegen und am liebsten wohl handgreiflich würden, wenn nicht Vater und Mutter am Strande mit Argusaugen über das Wohl ihrer so vergnügt im Wasser herumplätschernden Lieben wachten. Ja, interessant ist das Badeleben in Einfeld, und wer’s noch nicht gesehen oder mitgemacht hat, der scheue den kleinen Ausflug nicht, er macht sich reichlich bezahlt. Einfeld hat durch seinen See eine schöne Zukunft und dazu dürfen wir Neumünsteraner als nächste Nachbarn uns besonders mit freuen. „Einfeld - Einfeld - und immer wieder Einfeld! Das ist rein toll und man möchte bald glauben, dass die Neumünsteraner samt und sonders unter einer „Einfeld-Hypnose“ stehen!

So hörte ich gestern einen hiesigen älteren Herrn sprechen, der zum Nachmittags-Badezuge mit einem ganzen Familientrupp dem Bahnhofe zustrebte. „Ach Onkelchen, Du wirst Dein Vorurteil leicht aufgeben, wenn Du erst selbst Dich davon überzeugt hast, wie reizend es am Einfelder See ist,“ so sagte da eine zierliche Blondine, die sich anscheinend als besonderer Liebling des älteren Herrn seiner liebevoll angenommen und alles daran zu setzen schien, ihn von seiner Einfeld-Antipathie zu kurieren. Na, Onkelchen ließ sich denn von der kleinen Schmeichlerin breitschlagen und fuhr mit nach dem neuesten „Seebade“, das sich in so kurzer Zeit zum Sammelplatze der Erholungsbedürftigen und Flaneure herausgebildet hat. Ich weiß nun nicht, wie und wo „Onkelchen“ den Nachmittag mit seiner Gesellschaft hingebracht; jedenfalls sah ich ihn abends in etwas gehobener Stimmung in dem neuen Nagel’schen Lokale, wo er - aus einem Saulus zum Paulus verwandelt - in begeisterten Worten einer fidelen Tafelrunde die „herrliche Idee“ pries, Einfeld zum Seebade zu machen.

So wie diesem „Onkelchen“ wird’s schon vielen ergangen sein, die erst durch eigenen Augenschein sich überzeugen mussten von der Zweckmäßigkeit der so nahe unserer Stadt belegenen prächtigen Erholungsstätte. Zu gestern hatte Herr Nagel, der Besitzer des Restaurants am Bahnhofe und des ältesten Bades im See, ein Strandfest mit nachfolgendem Ballvergnügen zur Feier der Einweihung seines neu erbauten Saales angesetzt, und trotzdem eine recht steife Brise wehte, ergoss sich ein sehr zahlreicher Menschenstrom zum Einfelder Strande und im Nu waren die gesamten Räumlichkeiten des Pavillonbaues, sowie jedes verfügbare Plätzchen im Freien besetzt; selbst der Strand nach der Chaussee zu nahm viele malerisch gruppierte Gesellschaften auf. Das Musikkorps unserer 163er hatte Mühe gegen die vom See herüberwehende Brise anzublasen, aber „so’n bischen Musik“ hebt doch die Stimmung, und so entwickelte sich bald ein buntes Leben und Treiben dort draußen, bis die Abendzüge das Gros der Einfeldfahrer wieder in die Stadt zurückführte.

Selbstverständlich nahmen unsere jungen Damen und Herren vor der Abfahrt noch die Gelegenheit wahr, dem neuen, ganz allerliebst eingerichteten Saale des Herrn Nagel ihren Tribut zu zollen, indem sie dort in drangvoll-fürchterlicher Enge ein Tänzchen riskierten. Ja, wenn die Nagel’schen Wirtschaftsräume auch recht geräumig sind, - für den gestrigen zeitweisen Andrang reichten sie doch nicht aus. - Die Ausstattung des neuen Saales mit Möblement hat die in diesem Genre bestrenommierte Firma Ed. Brüshoff, hier, besorgt, und die prächtige Bühnenausstattung stammt aus dem Kunstatelier des Herrn Hugo Becker, hier. Alles in allem macht das ganze Nagel’sche Restaurant, ebenso wie die auch recht zweckmäßigen und großen Räume des Rix’schen Bahnhofshotels einen angenehmen, einladenden Eindruck und es wird gar nicht ausbleiben, dass diese hübschen Lokale während der Saison stets gut besucht werden. Dass sich das an der anderen Seite des Sees so idyllisch belegene Gaedke’sche Park-Etablissement und Pensionat „Marienlust“ sehr großer Beliebtheit bei den Besuchern Einfeld’s erfreut, beweist die täglich sich hebende Frequenz des Etablissements und der damit verbundenen, elegant eingerichteten Badeanstalt.

Neuerdings sind nun noch die Segel- und Bootsfahrten von „Marienlust“ dazugekommen, was dem Etablissement weitere Anziehungskraft verleiht. Heureka! die Bootsfahrten! Trieb da gestern ein Privatboot ohne Ruder, in dem sich ein kleines blondes Mägdelein aus Neumünster C befand, von seiner Anlegestelle auf den See hinaus. Als man das Malheur gewahrte, wurden vom Ufer aus die Ruder nachgeworfen, ohne jedoch das Boot zu erreichen. Zwei junge Leute, ein Neumünsteraner und ein Wismaraner, die gerade in einem der flinken Gaedke’schen Ruderboote den See durchquerten, bemerkten die Angst der kleinen, ruderlos treibenden Maid, nahmen das unbotmäßige Boot ins Schlepptau und brachten die geängstigte kleine Insassin wohlbehalten an Land. Den beiden tapferen deutschen Männern soll demnächst vom „Kränzchen“ der „Geretteten“ je eine Medaille in Chokolade gestiftet werden. Schließlich möchte ich noch eine Bitte an die den Stand als dolce far niente benutzenden Besucher Einfelds richten: Werft Eure Butterbrot-Einwickelpapiere nicht so achtlos am Strande fort! Es macht doch einen gar zu liederlichen Eindruck, wenn der Strand in seiner ganzen Ausdehnung mit Papierfetzen förmlich besäet ist. Das bischen Papier kann wohl jeder in den Taschen wieder mitnehmen oder an geeigneter Stell bei der Wirtschaft unterbringen.
Quelle: Titelfoto ist als Repro einer Postkarte zu bezeichnen.